Bei manchen Arbeiten braucht man ein Werkzeug, mit dem man ein Lager oder Gleitsteine dynamisch auf einen bestimmten Reibwert einstellen (vorspannen) kann. Dieser Artikel beschreibt die preiswerte Herstellung und die Anwendung eines solchen Werkzeugs.
Autor: Norbert F. (nordfisch)
In meiner Hobbyschrauberkarriere bisher aufgetretene Anwendungen:
- Simmerring am Differential ersetzen
- Lenkgetriebe einstellen (Zahnstange / Kugelumlauf)
- Lenkkopflager am Motorrad einstellen
Es gibt Leute, die machen so etwas mit Gefühl.
Ich habe mir das schon in meiner Profischrauberzeit in bestimmten Bereichen abgewöhnt.
Der Kunde steht daneben und man dreht die M7-er Schraube an der Wasserpumpe im Alu-Steuergehäuse rund. Da muss man nicht lange versuchen zu erklären, dass das Gewinde eben schon vorgeschädigt war (standardmäßig hielten die Pumpen oft nur so 30.000 km, wurden also mehrmals im Motorleben getauscht...). Man ist schuld - es sei denn, man benutzt eben den vorgeschriebenen Drehmomentschlüssel und reißt dann damit das Gewinde aus dem Steuergehäuse.
Bei privaten Schrauberarbeiten habe ich - wenn ich mich nach den Werksvorgaben richte - einfach das Gefühl, es richtig gemacht zu haben - und muss mir keine Selbstvorwürfe machen, wenn etwas schiefgeht bzw. eine Reparatur nicht nachhaltig ist.
Ein Reibwertwerkzeug (Torsiometer) kostet aber so viel, dass sich die Anschaffung für den Hobbyisten kaum rentiert. Und Werkzeug leihen... ich kenne welche, die mir etwas leihen. So was muss man pflegen und nicht überstrapazieren.
Solche Kontakte pflege ich gewöhnlich durch persönliche Zuwendungen in Form von Mettwurst, Forellen oder Obstbrand - kostet auch viel Zeit, weil bei den Verhandlungen immer Kaffee oder Bier in nicht unerheblicher Menge beim anregenden Gespräch konsumiert werden.
Der Selbstbau des Werkzeugs dagegen kostet nicht viel und ist nachhaltig...
Man braucht:
-
1 Kraftmesser (früher auch Federwaage genannt), im Internet oder auf eBay für ca. 10 Euro zu erwerben, Messbereich je nach Anwendung zwischen 10 N und 30 N (entspricht 1000 p / 3000 p | 1000 g / 3000 g) bei älterer / anderer Eichung)
- 1 Schnurrolle (aus dem Baumarkt oder - wie ich es schon gemacht habe - vom Rasenmäher 'ausgeliehen'). An der Rolle sollte man einen Vierkant anbringen, auf den man eine Werkzeugnuss in passender Größe stecken kann - oder man schraubt diese einfach von innen her an der Rolle fest.
- etwas Schnur, so 2 Meter.
Und so sieht dann dieses Werkzeug in der Anwendung aus:
Mit dem Kraftmesser wird die Kraft bei gleichmäßiger Bewegung gemessen. Dies funktioniert recht gut - besser als bei den käuflichen Geräten, weil man über einen längeren Weg messen und so ziemlich genau den Wert feststellen kann. Auch die Messgenauigkeit ist hervorragend.
Formel zur Berechnung der anzustrebenden Zugkraft:
Kraft = Reibmoment : Kraftarm
Zugkraft (in N) = Reibmoment (in Ncm) : Länge des Kraftarms (in cm)
Beispiel: Meine Rolle hat 16 cm Durchmesser, wirksamer Radius 8 cm.
Bei einem geforderten Reibmoment von 120 Ncm berechne ich folgende Zugkraft:
120 Ncm (Sollwert) : 8 cm (Radius) = 15 N bzw. 1500 p Zugkraft
Ich muss also beim gleichmäßigen Ziehen am Kraftmesser 15 N ablesen, dann ist das Reibmoment von 120 Ncm erreicht.
Anmerkung: In älteren Reparaturanleitungen findet man noch Angaben in kpm bzw. kpcm.
1 kp entspricht 10 N. 5 kpm entsprechen daher 50 Nm - 40 kpcm entsprechen 4 Nm
Häufig zu beachten:
Immer zu beachten:
Die Reparatur- und Einstellvorschriften des Herstellers. Es gibt z.B. häufig Justiervorschriften, die in den Werten zwischen der Einstellung von bereits gelaufenen Teilen und Neuteilen unterscheiden. Auch gibt es dort weitere wichtige Angaben - z.B. differenzierte Angaben zu Lenkungsreibwerten in Mittellage und außerhalb der Mittellage. Also schraubt nicht einfach drauflos, sondern besorgt euch unbedingt vorher die entsprechenden Informationen aus zuverlässiger Quelle- auch wenn dies Zeit und Mühe kostet.
Diese Anleitung ist für Profis gedacht, die die durchzuführenden Arbeiten grundsätzlich beherrschen. Es geht hier nicht um irgendwelche spezielle Reparaturen, sondern lediglich um eine preisgünstige Methode, Reibwerte einzustellen.
Noch etwas:
Häufig braucht man die dargestellte Rolle gar nicht. Man kann beispielsweise einen Ringschlüssel aufsetzen und die Zugkraft auf der Basis von dessen Länge berechnen. Oder eben den Kraftmesser direkt am Lenkrad oder Lenker ansetzen. Weil man dann einen viel längeren Hebel hat, braucht man dann Kraftmesser mit niedrigerem Messbereich. Ich besitze einen bis 10 N und einen weiteren bis 30 N. Das hat bisher immer ausgereicht. Und eine Kofferwaage habe ich schon mal benutzt, um mit Hilfe eines 1,50 m langen Rohres Achsmuttern auf Werte festzuziehen, die meine Drehmomentschlüssel nicht hergeben.
Viel Erfolg!
Norbert
- Ich danke Erich F., der mir vor vielen Jahren das verwendete Bild zur Verfügung gestellt hat. -
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